Fraunhofer-Pilotanlagen unterstützen die grüne Transformation der Chemieindustrie
Die Produktionsprozesse der chemischen Industrie verändern sich derzeit rapide. Die Anforderungen sind hoch: Einsatz nachhaltiger Rohstoffe, Integration von Prinzipien der Kreislaufwirtschaft oder auch die Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit bei steigenden Energiepreisen und strengeren Umweltauflagen. Die vielfältigen Lösungen, die dafür in der Branche entstehen, müssen dabei nicht nur im kleinen Maßstab funktionieren, sondern auf industriellem Niveau – das wird möglich durch Pilotanlagen, die bei der Skalierung von Herstellungsprozessen unterstützen. Beim Fraunhofer-Technologietag »Scale up Green Chemistry – NOW« am 29. November 2023 in Leuna diskutieren Fachleute aktuelle Herausforderungen und neue Möglichkeiten im Bereich der »grünen« Chemie – von biotechnologischen Prozessen und nachhaltigen Polymersynthesen über die Anwendungsmöglichkeiten von grünem Wasserstoff bis zum Leichtbau mit biobasierten Kunststoffen. Die Teilnehmenden besuchen zudem drei hochmoderne Fraunhofer-Pilotanlagen im mitteldeutschen Chemiedreieck.
Ob Reifen, Verpackungen, Treibstoffe oder Medikamente: Bei der Entwicklung und Optimierung von chemischen Produktionsprozessen ist die Maßstabsübertragung eine zentrale Herausforderung. Was im Reagenzglas funktioniert, muss noch lange nicht funktionieren, wenn man ein Produkt in industriellen Größenordnungen herstellen möchte. Viele zunächst aussichtsreich erscheinende Ansätze scheitern an dieser Hürde und finden nie den Weg aus dem Labor auf den Markt.
»Die Fraunhofer-Pilotanlagen in Mitteldeutschland bieten der chemischen Industrie genau für diese Herausforderung eine wertvolle Unterstützung. Neben der technischen Infrastruktur zum Scale Up gehört dazu auch die nötige Expertise für Materialien, Prozesstechnik und nicht zuletzt die Kommerzialisierung. Bei der Transformation zur grünen Chemie wird dieses Angebot noch wichtiger. Denn viele etablierte Verfahren mit fossilen Rohstoffen müssen nun für eine nachhaltige Produktion mit regenerativen Ressourcen neu gedacht und aufgesetzt werden«, sagt Dr. Stefan Löbbecke, Sprecher der Fraunhofer-Allianz Chemie. »Die Nutzung unserer Pilotanlagen reduziert das unternehmerische Risiko und kann den Markteintritt beschleunigen. Darüber hinaus können wir Mustermengen für die Anwendungsforschung oder Prozessdaten für Machbarkeitsstudien bereitstellen.«
Eine Schlüsseltechnologie für eine Schlüsselbranche
Die Skalierung ebnet den Weg von einer innovativen Idee zur industriellen Anwendung. Sie wird somit zum Schlüssel für die Markteinführung neuer Produkte sowie für die Anpassung der Produktionsprozesse in der Chemieindustrie. Denn wenn zunehmend nachwachsende Rohstoffe oder biogene Reststoffe als Ausgangsmaterialien eingesetzt werden, müssen meist auch Verfahren, Anlagen, Materialrezepturen, Prozessparameter oder Methoden zur Qualitätskontrolle und Sicherheitsbewertung angepasst werden, was zugleich Auswirkungen auf vor- und nachgelagerte Industriezweige hat.
Vier hochmoderne Pilotanlagen in Mitteldeutschland
Im mitteldeutschen Chemiedreieck steht die Fraunhofer-Gesellschaft der Industrie gleich mit vier hochmodernen Pilotanlagen zur Seite.
Das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna unterstützt seine Auftraggeber bei der Entwicklung von energie- und stoffeffizienten Synthesen, ausgehend von nachwachsenden Rohstoffen, biogenen Reststoffen oder Kohlenstoffdioxid, gekoppelt mit intelligenten Lösungen zur Aufarbeitung der Produkte.
Im Hydrogen Lab Leuna (HLL) steht eine neue Generation der Testinfrastruktur für die Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff bereit. Eingebettet in den Stoffverbund des Chemieparks Leuna mit seiner 157 km langen H2-Pipeline bietet das HLL vier Teststände plus Technikum für Elektrolyseure jeglichen Typs, Elektrolyseurkomponenten sowie die Simulation und Modellierung von Power-to-X-Betriebsszenarien.
Das Fraunhofer-Pilotanlagenzentrum PAZ in Schkopau, das ebenfalls in einen örtlichen Chemiepark eingebettet ist, fokussiert sich auf die Bereiche Polymersynthese und -verarbeitung. Mit diesem Profil lässt sich die komplette Entwicklungskette vom Monomer über das Materialdesign bis zum geprüften prototypischen Bauteil abbilden. Im Bereich Synthese verfügt das Fraunhofer PAZ über die größte außerindustrielle Polymersyntheseeinrichtung Europas. Polymere werden hier bis in den Tonnenmaßstab synthetisiert. Im Verarbeitungstechnikum ist die Herstellung von Kunststoffbauteilen bis in den Vorserienmaßstab möglich, wobei die Einflüsse der Verarbeitung auf die resultierenden Werkstoff- und Bauteileigenschaften besonders berücksichtigt werden.
Durch diese Bandbreite an Kompetenzen und apparativen Möglichkeiten kann die Fraunhofer-Gesellschaft den unterschiedlichsten unternehmens- und branchenspezifischen Bedarfen begegnen.
Fraunhofer-Technologietag »Scale up Green Chemistry – NOW«
Drei der Anlagen in Leuna und Schkopau stellen die Fraunhofer-Skalierungsexpertinnen und -experten im Rahmen des Technologietags bei einem Rundgang vor. Das Programm umfasst zudem Best-Practice-Beispiele der Maßstabsübertragung im Bereich Green Chemistry sowie Diskussionen aktueller Lösungsansätze mit Industrie- und Forschungspartnern. »Wir stellen vor, woran Fraunhofer gerade forscht und welche Möglichkeiten der Förderung es für Unternehmen gibt, die mit uns zusammenarbeiten möchten«, sagt Löbbecke. »Als Partner unterstützen wir von der Idee bis zur kommerziellen Verwertung und gestalten so den enormen Wandel der Branche maßgeblich mit.«
Über die Fraunhofer-Allianz Chemie
Mit der 2021 gegründeten Fraunhofer-Allianz Chemie positioniert sich die Fraunhofer-Gesellschaft als systemischer Forschungspartner für eine nachhaltige, zukunftsgerichtete chemische Industrie. Sie bietet ihren Forschungs- und Entwicklungspartnern einen zentralen Zugang zu dem großen Synergiepotenzial, das sich aus den vielfältigen technologischen Einzelkompetenzen ihrer 15 Mitgliedsinstitute erschließt.
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