Interview

Nachgefragt: Recycling von Kunststoff

Fraunhofer IAP /

Recycling ist essenziell, um eine kunststoffbasierte Kreislaufwirtschaft zu verwirklichen. Bisher werden gebrauchte Kunststoffe hauptsächlich durch mechanische Verfahren zu Recyclinggranulat, das sogenannte Rezyklat, verarbeitet und als Rohstoff für neue Produkte wiederverwendet. Darüber hinaus entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer IAP Ansätze für die Rückgewinnung chemischer Ausgangsbausteine aus Kunststoffprodukten. Im Fokus stehen die Monomere. Diese eignen sich zur Herstellung neuer, hochwertiger Polymere. Ihre wiederholte Verwendung ermöglicht es, die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu reduzieren. Aktuelle Entwicklungen und Handlungsfelder am Institut erläutert Dr.-Ing. Marcus Vater im Interview.

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Dr.-Ing. Marcus Vater leitet die Arbeitsgruppe chemisches und biologisches Recycling am Fraunhofer IAP.
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Jahresbericht des Fraunhofer IAP, Seite 16-17

50 Prozent Recyclingquote für Verpackungen, 25 Prozent Rezyklatanteil in Flaschen bis zum Jahr 2025 – so lauten die Vorgaben des Kreislaufwirtschaftspakets der Europäischen Union und des Verpackungsgesetzes in Deutschland. Das erfordert schnelles Handeln und bessere Recyclingkonzepte in der Branche. Wie unterstützt das Fraunhofer IAP bereits heute seine Kundinnen und Kunden, um diese Ziele zu erreichen?

Marcus Vater: Zusammen mit Partnerinnen und Partnern aus der Industrie führen wir Recyclingprojekte für Kunststoffe unter anderem basierend auf Polyamiden und Polyester durch. Ein Thema, das uns seit mehreren Jahren beschäftigt, ist die Validierung von recycelten Monomeren, beispielsweise für Polyethylenterephthalat, kurz PET. Dabei handelt es sich um ein Material aus der Familie der Polyester. Aus PET werden Flaschen, Fasern und Folien hergestellt. Industriekunden, die Recyclingprozesse entwickeln und das darin enthaltene Monomer Terephthalsäure wiedergewinnen, sind bei uns an der richtigen Adresse. Ebenso wie Hersteller von PET, die das Monomer auf dem Recyclingmarkt angeboten bekommen. Aus der zurückgewonnenen Terephthalsäure stellen wir auf verschiedenen Größenskalen wieder Polymere her. Kleine Mengen ab 25 Gramm, um zu testen, ob sie geeignet sind. An Mengen bis sechs Kilogramm charakterisieren wir mechanische Kennwerte und Farben. Zudem synthetisieren wir Forschungsmuster bis 1000 Kilogramm. Unsere Kunden testen dann, ob das PET mit den recycelten Monomeren erneut zu einer guten Flasche oder Faser verarbeitet werden kann. Für Polybutylensuccinat, ebenfalls ein Polyester und unter dem Kürzel PBS bekannt, entwickeln wir derzeit ein eigenes Recyclingverfahren.
 

»Das chemische Recycling ist ein wachsendes Forschungs- und Entwicklungsfeld. Zu den großen Herausforderungen zählt, Monomere zurückzugewinnen, die einen hohen Reinheitsgrad haben.«

 

Welche Hürden sind bei der Entwicklung chemischer Recyclingverfahren zu überwinden?

Das chemische Recycling ist ein wachsendes Forschungs- und Entwicklungsfeld. Zu den großen Herausforderungen zählt, Monomere zurückzugewinnen, die einen hohen Reinheitsgrad haben. Das ist die Voraussetzung, um daraus neue, hochwertige Polymere herzustellen. Reste von Farben, Stabilisatoren oder von Waschmittel zu entfernen, ist beispielsweise Teil des Recyclingprozesses. Hierfür müssen neue Reinigungsverfahren entwickelt werden. Wir haben jahrelange Erfahrung in der Synthese- und der Prozessentwicklung von Polymeren, darauf bauen wir auf. Unser Ziel hierbei ist, den Kreislauf der Monomere mit möglichst geringem Verlust an Masse und Qualität zu gestalten.

Auch Wirtschaftszweige wie die Automobil- oder Luftfahrtindustrie suchen Recyclinglösungen. Welche Handlungsfelder verfolgt das Fraunhofer IAP? Welche Leistungen bieten wir?

Auf den Gebieten der Duromere und Thermoplasten arbeiten wir eng mit der Industrie zusammen. Wer zum Beispiel die Eigenschaften seines Rezyklats genau kennen und wissen will, für welche Einsatzfelder es geeignet ist, findet bei uns das Knowhow dafür. Wir sind Spezialisten für die Bewertung von Kunststoffmaterialien. Ist hingegen das Recycling eines Bauteils aus einem Verbundwerkstoff das Thema – ich denke hier an die Rotorblätter eines Windkraftwerks – sind wir im Stande die Kunststoffmatrix chemisch zu recyceln und die Fasern zu erhalten, so dass dieses hochwertige Material wiederverwendet werden kann.

Die Weiterentwicklung der Recyclingkompetenzen am Fraunhofer IAP treiben Sie mit großem Engagement und ganzem Herzen voran. Wie sieht Ihre persönliche Vision des Kunststoffkreislaufs im Jahr 2050 aus?

Im Jahr 2050 werden wir die Kreisläufe für Kunststoff geschlossen haben. Unvermeidliche Verluste werden kein Problem darstellen, da die Kunststoffe vollständig biologisch abbaubar sind und die Verluste über erneuerbare Ressourcen ausgeglichen werden. Haben wir diese Vision 2050 verwirklicht, kann ich mich mit einem Lächeln auf meinen Ruhestand vorbereiten.

 

// Das Interview ist im Jahresbericht 2022 erschienen.

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