Wofür steht SmartID und was verbirgt sich dahinter?
Dr. Tobias Jochum: SmartID steht für: einfach. offline. sicher. Das ist mein Slogan. Es handelt sich um eine Technologie, um Produkte zu authentifizieren. Unternehmen können so ihre Eigentumsrechte schützen. Dafür haben wir einzigartige Sicherheitsmerkmale mit einem QR-Code verheiratet.
Wie funktioniert das?
Jede Oberfläche ist einzigartig. Nehmen wir mal zwei Seiten Druckerpapier. Wenn ich dich bitte, das zu beschreiben, sagst du vermutlich, die sind beide gleich. Das stimmt auch. Mit den Augen betrachtet, mögen sie gleich aussehen. Unter dem Mikroskop, also im Mikrometer Bereich, zeigen sich aber viele Unterschiede. Stell dir die Oberfläche als eine Art Gebirge vor – mit Höhen und Tiefen. Genau das nutzen wir aus. Wir speichern diese Merkmale der Oberfläche zusammen mit einem digitalen Siegel des Herstellers in einem QR-Code ab. Dieser wird dann auf die Verpackung oder das Produkt gedruckt. Das ist die Technik hinter SmartID.
Es gibt also drei Elemente: Die Oberfläche wird verbunden mit dem digitalen Siegel des Herstellers und mit einem QR-Code. Verstehe ich das richtig?
Fast. Die wichtigsten Merkmale der Oberfläche – also das Gebirge, von dem ich vorher sprach – werden zu einem Wert verschlüsselt. Es handelt sich um den sogenannten Hashwert. Dieser Wert ist ein einzigartiges Identifikationsmerkmal, quasi eine Art Fingerabdruck.
Wie prüfen die Verbraucherinnen und Verbraucher, ob ein Produkt echt ist?
Alle Beteiligten der Lieferkette können die Technologie nutzen. Neben Verbraucherinnen und Verbrauchern sind das beispielsweise der Zoll, die Polizei, Personal im Ein- oder Verkauf sowie Mitarbeitende im Verbraucherschutz. Mit dem Smartphone scannen sie den QR-Code und gleichzeitig einen Ausschnitt der Verpackungsoberfläche – nämlich den Ausschnitt, dessen Merkmale in dem Hashwert verschlüsselt sind. Nur dann, wenn die Daten des QR-Codes und die von der Kamera erfassten Eigenschaften der Oberfläche übereinstimmen, bestätigt die Software: Das ist keine Fälschung.
Abgesehen von Papier: Welches Material kann noch verwendet werden?
Wir haben uns erstmal auf faserbasierte Oberflächen konzentriert. Damit adressieren wir das große Themenfeld des Packaging. Wir arbeiten daran, auch andere Oberflächen mit SmartID zu identifizieren. Im Moment untersuchen wir Kunststoffe und Leder.
Welche Herausforderungen gab es bei der Entwicklung der Technologie?
Die Herausforderung ist, möglichst viele Oberflächenmerkmale auf kleinem Raum zu detektieren, und zwar auch zum Beispiel bei verschiedenen Lichtverhältnissen. Das nennen wir robuste Merkmale. Die Software ist so gut, dass sie eine Million einzigartige Merkmale unterscheiden kann. Das ist schon ziemlich viel. Für Produkte, die in sehr großen Mengen hergestellt werden, stieße man jedoch an diese Grenze – eine Million. Noch mehr einzigartige Merkmale auf eine gleichbleibende Fläche bringen wir mit Nanopartikeln beziehungsweise Quantenpunkten auf. Und da kommt unsere Expertise am Fraunhofer IAP ins Spiel: Unsere Nanopartikel können wir nutzen, um die Oberflächentextur vielfältiger zu machen. Dadurch ist die Technologie auch für die Kennzeichnung von Waren mit hohen Stückzahlen geeignet. Die Anwendungsmöglichkeiten von SmartID werden so deutlich breiter als ohne Nanotechnologie. Je größer die Anzahl robuster Merkmale ist, desto besser. Denn die Hürde für Fälscher wächst damit.
Es gibt eine Reihe von Lösungen, um Produkte zu kennzeichnen und zu identifizieren. Neben Barcodes denke ich an Blockchains oder Datenbanken. Was macht SmartID einzigartig?
SmartID funktioniert offline. Es braucht keine Datenbank oder Blockchain, um die Sicherheitsmerkmale abzugleichen. Der Abgleich läuft einzig und allein über die Oberfläche. Auch das macht unsere Technologie einzigartig im Vergleich zu anderen Identifikationssystemen: es ist keine IT-Infrastruktur notwendig.
Wie unterscheidet sich SmartID von Lösungen mit RFID-Chips oder Near Field Technologie?
Diese basieren auf Komponenten wie einem Chip, Antenne und einem Träger. Diese Gesamtheit macht die Technologie sehr teuer in der Herstellung und somit für viele Branchen uninteressant. Ein weiteres Problem stellt das Recycling dar. Es werden elektronische Bauteile integriert. Werden diese dann als Elektroabfälle entsorgt? Zu guter Letzt benötigt SmartID keine Energiequelle.
Wie kann SmartID in bestehende Produktionsprozesse integriert werden?
Ganz einfach. Hersteller, welche die SmartID-Technologie nutzen wollen, brauchen eine Industriekamera und unsere Fraunhofer-Lizenz. Es entsteht zunächst kein Mehraufwand. Verbraucherinnen und Verbraucher wiederum verifizieren das Produkt mit einer Smartphone-App.
Welche Nutzergruppen werden mit SmartID angesprochen?
Alle, für die Fälschungen oder der Schutz vor Kopien ein Thema ist. Vom Hersteller über die Akteure der Lieferkette bis hin zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Medikamente, Weine, Spirituosen oder Kosmetika sind häufig betroffen. Unser erster Lizenznehmer will die Technologie für Luxusgüter im Modebereich nutzen. Und das ist nur der Anfang. Mittlerweile habe ich verstanden: Produktschutz alleine verkauft sich nicht. Das ist nicht sexy.
Wie wird es denn sexy?
Wenn weiterführende Leistungen daraus entstehen, die über den Security-Gedanken hinausgehen. Markenprodukte verkaufen sich über starke Kundenbeziehungen. Nehmen wir an, ein Endverbraucher hat ein hochwertiges Produkt mit SmartID authentifiziert. Dann kann das der Türöffner sein für zusätzliche Angebote und Leistungen, die der Verbraucher exklusiv erhält. Vielleicht auf einem virtuellen Marktplatz, in einer digitalen Serviceumgebung oder im Metaversum. So entstehen Kundenerlebnisse.
Wie fühlt es sich an, die SmartID-Technologie zum ersten Mal im Einsatz zu sehen?
Ich bin schon stolz. Das treibt mich auch an: Produkte oder eine Technologie so weit zu entwickeln, dass sie am Markt platzierbar sind oder daraus weitere Business Modelle entstehen. Es gibt ganz viele Sachen, die ich mir vorstellen kann. Zum Beispiel in der Logistik und für Reklamations- oder Garantiefälle.
// Das Interview führte Andrea Schneidewendt, Abteilung Strategie und Kommunikation am Fraunhofer IAP