Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2024

Neuartiges Folienmaterial aus dem Biokunststoff PLA

Dr. Benjamín Rodríguez, Dr. Antje Lieske und Dipl.-Ing.(FH) André Gomoll vom Fraunhofer IAP erhielten am 12. Juni 2024 den Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2024 für herausragende wissenschaftliche Leistungen beim Lösen anwendungsnaher Probleme. 

 

Der Verpackungsmarkt wird derzeit vom Kunststoff Polyethylen (LDPE, engl.: low density polyethylene) dominiert. Dieser ist jedoch erdölbasiert, nicht biologisch abbaubar und kann nur unter Eigenschaftseinbußen mechanisch recycelt werden.

Der Polyester Polylactid (PLA) hingegen ist biobasiert, bioabbaubar und kann mit vergleichsweise geringem Energieaufwand chemisch zu Neuware recycelt werden. Aufgrund seiner hohen Sprödigkeit eignet er sich in seiner konventionellen Form jedoch nicht für die Herstellung flexibler Einwegverpackungen wie Tragetaschen oder Müllsäcke, die zu den Hauptverursachern von Einwegkunststoffabfällen gehören. Zudem kann PLA heute nur in kontinuierlichen Großanlagen rentabel hergestellt werden, was kleinere Unternehmen als Hersteller bisher ausschließt.

Unserem Forschungsteam ist es gelungen, ein flexibles und recycelbares Material für Folienanwendungen auf Basis von PLA zu entwickeln und die Kommerzialisierung dieser sogenannten PLA-Blockcopolymere auch mittelständischen Unternehmen zu ermöglichen. Damit wird dem Verpackungsmarkt ein alternatives, nachhaltiges Material zur Verfügung gestellt.

Preisträger-Film

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Unsere Preisträgerin und Preisträger im Interview

  • © Fraunhofer, Foto: Piotr Banczerowski
    Dr. Antje Lieske studierte Synthesechemie an der HU Berlin. Ihre Promotion fertigte sie an der TU Berlin und am Fraunhofer IAP an, wo sie seit 1993 tätig ist. Seit 2004 leitet sie hier die Abteilung »Polymersynthese«.

    »Unsere Motivation, neuartige Biokunststoffe zu entwickeln, liegt einerseits in der Dringlichkeit, die Wirtschaft zu defossilisieren. Denn die Abhängigkeit von erdölbasierten Rohstoffen ist nicht nur aus ökologischer Sicht problematisch, sondern auch in Hinblick auf die endlichen Ressourcen und die geopolitischen Abhängigkeiten, die damit einhergehen.

    Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die zirkuläre Ökonomie. In einem idealen Kreislaufsystem wird so viel Material wie möglich recycelt, aber in der Praxis gibt es immer unvermeidliche Verluste. Um diese Verluste auszugleichen, benötigen wir nachhaltige Kohlenstoffquellen. Dies ist jedoch eine Herausforderung, denn meist gibt es für fossile Kunststoffe keine biobasierten Analoga mit den gleichen Materialeigenschaften.

    Hier setzt unsere Entwicklungsarbeit an: PLA kann bei beiden Aspekten – also Defossilierung und zirkuläre Ökonomie – eine Schlüsselrolle spielen. Dafür entwickeln wir neuartige PLA-Materialien, die biobasiert und bioabbaubar sind, und zugleich die Materialeigenschaften erdölbasierter Kunststoffe besitzen.«

  • © Fraunhofer, Foto: Piotr Banczerowski
    Dr. Benjamín Rodríguez studierte Chemieingenieurwesen am ITESM, Monterrey, Mexiko (Bachelor). Seine Masterarbeit und seine Promotion fertigte er an der TU Berlin und am Fraunhofer IAP an. Seit 2022 ist er Post-Doc in der Abteilung »Polymersynthese«.

    »PLA hat im Bereich der Biokunststoffe eines der stärksten Marktpotenziale. Es ist biobasiert, bioabbaubar und gut recycelbar. Aufgrund seiner hohen Steifigkeit ist PLA prädestiniert für Hartverpackungen, z. B. die Schalen, in denen Tomaten verkauft werden. Für flexible Folienanwendungen wie Frischhaltefolie, ist es aber zu spröde.

    Um PLA flexibler zu machen, werden üblicherweise Weichmacher als Additiv beigemischt. Jedoch wandern die Weichmacher-Moleküle mit der Zeit aus dem Material heraus, wodurch das PLA wieder steif und hart wird.

    Um diese Migration zu verhindern, haben wir Weichmacher, sogenannte Polyether direkt chemisch im PLA verankert. Polyether sind nicht toxisch, kommerziell verfügbar und können auch biobasiert hergestellt werden. Bei den synthetisierten PLA-Blockcopolymeren kann der Weichmacher also nicht migrieren und das Material bleibt dauerhaft flexibel.

    Zudem ist das neue Folienmaterial zu mindestens 80 Prozent biobasiert. Perspektivisch werden wir diesen Wert auf nahezu 100 Prozent erhöhen.

    Wir werden auch einen Prozessschritt für das das chemische Recycling von PLA in den bestehenden Prozess integrieren.

    Diese neuartige Klasse von Biokunststoffen hat also einzigartige Materialeigenschaften und wird in Zukunft einen wichtigen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit von Kunststoffverpackungen leisten.«

  • © Fraunhofer, Foto: Piotr Banczerowski
    Dipl.-Ing. (FH) André Gomoll studierte »Packaging Technology« an der Berliner Hochschule für Technik. 2007 fertigte er seine Diplomarbeit am Fraunhofer IAP an, wo er seit 2008 das Synthesetechnikum leitet.

    »Unser Material kann kostengünstig aus kommerziellen Rohstoffen in einem einfachen Syntheseprozess hergestellt werden.  

    Während PLA bisher nur in kontinuierlichen Großanlagen rentabel hergestellt werden konnte, ist dies bei dem neuartigen PLA-Material auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen auf kleineren kontinuierlichen Anlagen möglich. Das Produkt ist – ähnlich wie LDPE – auf gängigen Verarbeitungsanlagen zu Folien verarbeitbar, kann aber chemisch mit erheblich geringerem Energieaufwand als LDPE recycelt werden.

    Diese bisher einzigartigen Materialeigenschaften bewegten die Firma Polymer-Gruppe zur Kommerzialisierung. Im Jahr 2023 wurde eine Produktionsanlage für die neuen PLA-Blockcopolymere von unserem Partner, der SoBiCo GmbH, einer Tochtergesellschaft der Polymer-Gruppe, in Pferdsfeld in Betrieb genommen. Sie produziert pro Jahr 2000 Tonnen der neuartigen Biokunststoffe mit dem Markennamen Plactid®. Langfristig sollen dort 10 000 Tonnen des neuartigen flexiblen PLA-Materials pro Jahr hergestellt werden.«

Danksagung des Forschungsteams

Ein großes Dankeschön gebührt unseren Fördermittelgebern – der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe FNR, dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung – sowie unserem Industriepartner SoBiCo GmbH.  

Wir danken auch herzlich unseren Kolleginnen und Kollegen der Abteilung »Polymersynthese« sowie den Teams des »Verarbeitungstechnikums Biopolymere Schwarzheide« und der »Materialprüfung« des Fraunhofer IAP.