1. Was treibt Ihre Forschung an und welches Potenzial möchten Sie erschließen?
Lucas Ost: Das Projekt Mukran wird von der dringenden Notwendigkeit getrieben, effiziente und skalierbare Technologien zur Speicherung von Wasserstoff zu entwickeln. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Wasserstoff als Energieträger im Rahmen der Energiewende und der Transformation des Energiesektors ist es von zentraler Bedeutung, zuverlässige, sichere und wirtschaftliche Speicherlösungen zu schaffen. Unser Ziel ist es, mit der Entwicklung hochdruckfester Tanks eine innovative Lösung zu bieten, die nicht nur den aktuellen Standards entspricht, sondern auch zukünftige Anforderungen erfüllt.
Das Potenzial, das wir erschließen möchten, liegt in der Verbesserung der Effizienz, der Reduzierung des Gewichts der Tanks und der Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit unter extremen Druckbedingungen. Dabei geht es darum, die Wasserstoffinfrastruktur kostengünstig und skalierbar zu gestalten und so einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung zu leisten. Leichtbau ist hierbei eine Schlüsseltechnologie – und eine unserer Kernkompetenzen.
2. Welche Erfolge oder Erkenntnisse aus Ihrer bisherigen Arbeit stimmen Sie besonders optimistisch? Wo sehen Sie noch spannende Herausforderungen?
Felix Kuke: Ein besonders positives Highlight unserer bisherigen Arbeit betrifft die gravimetrische Effizienz der Tanks – also das Verhältnis aus der speicherbaren Wasserstoffmasse und dem Gesamtgewicht der Tanks. Eine höhere gravimetrische Effizienz bedeutet, dass der Tank im Verhältnis zu seinem Gewicht mehr Wasserstoff speichern kann. Die bisherigen Berechnungen und Tests zeigen vielversprechende Ergebnisse: Für die Typ-IV-Tanks mit einem Durchmesser von 60 Zentimeter haben wir im Labor eine Effizienz von 6 Prozent erreicht, und für größere Tanks mit einem Durchmesser von bis zu 2,4 Meter wurde eine Effizienz von sogar 10,5 Prozent berechnet. Zum Vergleich: Für leichte Nutzfahrzeuge hat das U.S. Department of Energy Ziele von 5,5 bis 6,5 Prozent gesetzt. Dies stimmt uns optimistisch und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung einer leistungsfähigen Wasserstoffinfrastruktur zu leisten.
Oft tauchen bei Forschungsprojekten auch unerwartete Herausforderungen auf – so auch in diesem Projekt. Ein Beispiel ist die Charakterisierung des kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffes PEEK, einem Hochleistungswerkstoff. Für Tests zur Bestimmung der Eigenschaften in Faserrichtung mussten spezielle Klebeplatten, sogenannte Aufleimer, an den Enden der Proben aufgebracht werden. Da PEEK sich bei höheren Temperaturen schlecht kleben lässt und die verwendeten starken Fasern hohe Belastungen erzeugen, waren viele Versuche nötig, um den passenden Klebstoff und das richtige Verfahren zu finden. Umso größer war die Freude, als eine Lösung gefunden wurde und die Tests erfolgreich verliefen – eine scheinbar einfache Aufgabe, die sich auch für andere Forschungsteams als anspruchsvoll erwiesen hat.
Trotz dieser Erfolge gibt es weiterhin spannende Herausforderungen, insbesondere bei der Modellierung und Auslegung von dickwandigen Laminaten aus Kohlenstofffaser-Verbundwerkstoffen und der Optimierung der Verbindungstechnik zwischen den Kunststofflinern, die den Wasserstoff im Tank halten und den sogenannten Boss-Parts, die die Verbindung zu den Ventilen schaffen. Diese müssen sicher abdichten und extremen Drücken bis zu 1575 bar standhalten – und je nach Tankform immer wieder neu angepasst werden können. Diese Aspekte erfordern tiefere wissenschaftliche Analysen und die Entwicklung neuer Methoden, um die Performance der Tanks weiter zu steigern und ihre Produktion noch effizienter zu gestalten.
3. Wenn Sie an die Zukunft denken: Wo könnte Ihre Forschung konkret Wirkung entfalten?
Lucas Ost: Der Industriestandort Deutschland – und auch darüber hinaus – könnte maßgeblich profitieren, insbesondere im Bereich der Wasserstoffspeicherung und -nutzung. Die Entwicklung effizienter und sicherer Hochdrucktanks für die Wasserstoffspeicherung hat das Potenzial, die gesamte Wasserstoffinfrastruktur zu transformieren. Dies würde nicht nur den Wasserstofftransport und die -lagerung in der Mobilität revolutionieren, sondern auch zur stationären Speicherung beitragen, was wiederum den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützt.
Für die Industrie eröffnet unsere Technologie neue Möglichkeiten, die Produktionskosten zu senken, die Leistung von Wasserstofftechnologien zu steigern und generell den Leichtbau voranzutreiben. Sektoren wie die Automobilindustrie, Luftfahrt, Schiffs- und Schienenverkehr könnten von den fortschrittlichen Speichermöglichkeiten profitieren. Darüber hinaus bieten unsere Forschungsergebnisse auch Potenziale für die Entwicklung von leichteren, stärkeren und effizienteren Bauteilen in weiteren Industrien, wie etwa in der Sportgeräteindustrie. Unsere Arbeit trägt somit nicht nur zur Wasserstofftechnologie bei, sondern hat auch das Potenzial, Leichtbau und Materialeffizienz in vielen Bereichen zu fördern.
4. Gibt es eine Erkenntnis, einen Gedanken oder einen Ausblick, den Sie zum Abschluss gern mit der Fachwelt oder der Öffentlichkeit teilen möchten?
Felix Kuke: Wir möchten Unternehmen dazu anregen, mehr Mut zur Zusammenarbeit mit der Wissenschaft zu zeigen. Viele unserer Industriepartner suchen bereits gezielt unsere Unterstützung, um Innovationen voranzubringen. Dennoch haben wir in Gesprächen, gerade mit KMU oft den Eindruck, dass gute Ideen in den Schubladen bleiben – häufig aus Unwissenheit über Fördermöglichkeiten. Beispielsweise ist oft nicht bekannt, dass alle in Deutschland steuerpflichtigen Unternehmen, die Forschung und Entwicklung betreiben, steuerliche Begünstigung auf Personal-, Material- oder Sachkosten im Rahmen von Forschungsausgaben erhalten. Forschungseinrichtungen bieten hier nicht nur fachliche Unterstützung, sondern helfen auch bei der Auswahl passender Förderprogramme und stellen den Kontakt zu Projektträgern her. Diese beraten ebenfalls gern und unkompliziert.
Deutschlands Innovationskraft lebt davon, dass Wissenschaft und Wirtschaft eng verzahnt sind. Ziel unserer Arbeit ist es, gemeinsam mit den Firmen Erkenntnisse zu gewinnen, die allen Beteiligten echten Mehrwert bieten. Die daraus entstehenden Lösungen verschaffen Wettbewerbsvorteile und stärken so die gesamte Wirtschaft.
Gleichzeitig sehen wir die Politik in der Pflicht, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Planungsunsicherheit durch ausbleibende Haushaltsbeschlüsse schadet dem Forschungs- und Industriestandort. Auch die immer aufwendigere Projektverwaltung bindet wertvolle Ressourcen, die besser in die eigentliche Forschung fließen sollten.